Mein Leben als Schamanin

Immer wieder werde ich von Menschen gefragt: „Wie lebst du eigentlich so als Schamanin?“

„Genau genommen – so wie alle anderen Menschen auch“, antworte ich dann.

„Ja wie jetzt? Du wirst doch sicher jeden Tag Rituale machen und ganz viel Zeit im Wald verbringen so als Schamanin, oder? Das gehört doch dazu, zum Schamane sein.“

Nun es ist so, mein explizit schamanischer Weg begann im Alter von ca. 13 Jahren. In dieser Zeit hatte ich meine ersten Erlebnisse die definitiv in die schamanische Welt gehörten. Ich begann mich mit der Thematik intensiver zu beschäftigen. Mit 23 Jahren schenkte mir das Leben meinen Herzensmann und unseren ersten Sohn, 18 Monate später kam unser zweiter Sohn zur Welt. Wir begannen unser Haus zu bauen und im Jahr 1995 zogen wir mit den beiden Kleinkindern damals in den Rohbau ein. Bis unser Haus dann wirklich fertig war, also alle Räume ausgebaut waren, dauerte es fast 17 Jahre – dafür haben wir alles selbst gemacht. Unseren Seminarraum bauten wir 2003 dazu. 2005 kam unser dritter Sohn zu Welt.

Als ich um die 28 war, erwähnte eine Frau aus einem schamanischen Forum bei einem Treffen mal so nebenbei:
„ Du wirst doch nicht ernsthaft glauben, dass du spirituell nur annähernd soweit kommen wirst wie ich. Du musst dich doch Tag ein Tag aus um deine Brut kümmern, da hast du doch überhaupt keine Zeit eine spirituelle Disziplin wirklich zu praktizieren.“

Wow – das hatte gesessen. Diese Aussage hatte mich damals sehr beschäftigt. Erst später lernte ich, die Qualität als Mutter, Partnerin und Hüterin des Herdfeuers hat eine ganz andere Ausrichtung als die Aufgaben einer – bezeichnen wir diese Frau einfach als Amazone.

Wie sieht jetzt so ein ganz normaler Tag im meinem Leben aus?
Tagwache ist um spätestens 6.30. Frühstück auf den Tisch stellen, Kaffee aufsetzen, für den Kleinen die Jause richten und ihn in die Schule verabschieden (ja, er wird nicht gebracht, er schafft das ganz alleine, auch wenn sein Schulweg gut 3km lang ist.)

Wenn der Kleine draußen ist, duschen gehen. Während dem Duschen die Nacht abwaschen und den Tag begrüßen. An vielen Tagen gehe ich nach dem Duschen auch direkt in den Garten und begrüße dort den neuen Tag. Aber ganz ehrlich, an Tagen wie heute, wenn es nochmal schneit nachdem es doch schon Frühling war, mache ich nur die Türe auf, blicke in Richtung Osten und begrüße mit einem kurzen Gruß aus meinem Herzen den neuen Tag. Ich entzünde eine Kerze an unserem Hausaltar, mit der Bitte allen die es heute brauchen ein Licht zu schenken. Wenn was wichtiges ansteht, oder ich darum gebeten werde, sind es mehrere Kerzen. Ich danke für den weitern Tag den ich hier auf Erden lebe, ich danke für die Unterstützung die ich aus dem Welten erhalte. Ich danke meinen Verbündeten, meinen Lehrern und allen Menschen dir mir nahe sind, die mich auf meinem Weg ein Stück begleiten.

Tja, danach werden E-Mails beantwortet, Büroarbeit gemacht, Seminare vorbereitet, Unterlagen für Schüler zusammengestellt oder an einem neuen Buch gearbeitet. Spätestens gegen Mittag ruft mich dann die Hausarbeit – Wäsche waschen, Essen kochen, Staubsaugen, Küche aufräumen – alles was eben so zu tun ist. Am späten Nachmittag kommen alle von ihren Arbeitsplätzen wieder nach Hause. Meistens essen wir dann gemeinsam als Familie.

An manchen Tagen habe ich Klienten Termine, gleich ab 9.00 Uhr morgens, so bis 16.00 Uhr. Das können dann schon so 4-6 Leute am Tag sein. An diesen Tagen bleibt die Hausarbeit liegen – allerdings habe ich festgestellt – sie läuft mir nicht weg, die Hausarbeit, die liegt da noch rum selbst wenn ich zwei Tage lange nichts mache. Manchmal, ja manchmal übernimmt das dann einer meiner Jungs – wenn sie Zeit und Lust dazu haben.
Mein Mann ist da sehr fleißig, er unterstütz mich wo er kann.

Im Frühling, im Sommer und im Herbst kommt noch unsere Gartenterrasse dazu, die will auch gepflegt sein. Zugegeben, das meiste was da wächst ist pflegeleicht, Schmetterlingsblüten, Bienenfutter und ganz viel bunte Blütenpracht. Aber auch Kräuter, Salate und das eine oder andere Obst findet sich da zum verarbeiten. Genau genommen hätte ich genügend zu tun, auch ohne die Schamanisiererei. Das Pensum an Arbeit die bei Haus, Garten und einer 5 köpfigen Familie anfällt reicht völlig aus um jeden Tag zu füllen.

Dennoch, meine Berufung Menschen zu begleiten brennt in mir, will gelebt werden. Als ich nach der Geburt unseres dritten Kindes ernsthaft überlegte aufzuhören, wurde ich krank, sehr krank sogar. Gesundet bin ich erst wieder, als ich mich ganz klar entschloss weiter zu gehen. Das Schamanisieren weiter zu praktizieren. Bis heute und wohl auch noch weiter bis zum Ende dieses Erdenlebens.

Dann gibt es Tage, an denen lasse ich alles liegen und stehen, ich gehe einfach Freunde besuchen, oder in die Berge. Laufe Wege die ich noch nicht kenne. Das sind Tage die ich mir selbst schenke, Lebenszeit nur für mein Wohlbefinden.

Ja, aber was ist daran jetzt genau schamanisch?
Es ist die Grundhaltung mit der ich das alles tue.
Die tiefe Verbundenheit in jedem Moment, das Bewusstsein Teil des Lebens zu sein.
Es ist die Art und Weise wie ich meiner Familie begegne, wie ich meine Kinder begleite.
Es ist das sich selbst reflektieren in dem was ich tue.

Es ist die Arbeit mit meinen Klienten, die Seminare und Schwitzhütten, die Zeremonien und Rituale die ich begleiten darf und immer für mich selbst dabei lerne. Jede dieser Begegnungen im kleinen oder großen Kreis schenkt mir Lebenserfahrungen.

Ich erzähle euch eine kleine Geschichte aus meinem Leben für ein besseres Verständnis dessen, was ich euch vermitteln möchte wie ich das so sehe, wenn ich gefragt werde wie es ist als Schamanin zu leben.

Damals, als unser ältester Sohn mit 16 Jahren zum ersten Mal eine Woche alleine zuhause war, ereignete sich die legendäre „Projekt X Party“ – noch lange bevor der gleichnamige Film raus kam oder meine Jungs Facebook und ähnliches kannten.

Wir kamen von unserem jährlichen Sommerlager in den Bergen zurück. Unser Sohn saß ganz brav und anständig mit zwei Mädels am Küchentisch und strahlte uns an:
„Wir haben alles wieder sauber gemacht, Mama.“ „Fein, das freut mich,“ war meine Antwort.
Das war tatsächlich so, denn unser Sommerlager ist immer wunderschön und für uns Veranstalter eben auch anstrengend.

Als ich mir jedoch ein Glas holen wollte um Wasser zu trinken, bemerkte ich, der Schrank beinahe leer war. Also öffnete ich die Spülmaschine. Die war auch leer, bis auf einige Zigarettenstummel. Das nächste was ich bemerkte war, dass der Wohnzimmerteppich fehlte, erst dachte ich er ist noch auf der Terrasse zum auslüften – doch er war weg, wie die Gläser. Es ging weiter – der alte Bürostuhl, den fanden wir verkohlt hinterm Haus, in der Waschküche waren gezählte 25 Maschinen Wäsche (das weiß ich genau, denn ich musste sie ja waschen). Mir dämmerte langsam, das wohl sehr viel zum aufräumen gewesen ist. Da hatten wir den Kamin der mit Klopapier umwickelt war noch garnicht entdeckt und auch nicht den geplünderten Weinkeller oder das zu Kleinholz verarbeitete Zimmer unseres jüngsten Sohnes.

Das sind nur ein paar Beispiele der Zerstörung die sich uns bei genauerem hinsehen offenbarten. Selbstverständlich sind wir zuerst ausgeflippt. Unser Sohn wurde ganz klar zur Rede gestellt.
Die Geschichte begab sich aus seiner Sicht folgendermassen:
Unser Großer hatte einige seiner Kumpels eingeladen am letzten Abend an dem das Haus ohne Eltern war, eine Party zu machen. Die Kumpels die er eingeladen hatte, luden wiederum andere Kumpels ein. Uns die zweiteingeladenen Kumpels ihre Kumpels. Kurz gesagt, es waren an diesem Abend an die 100 Leute oder mehr in unserem Haus von denen unser Sohn etwa 10 – 15 persönlich kannte.Der Rest der Meute, waren schlicht und einfach Fremde für ihn. Irgendwann kam der Punkt an dem er die Kontrolle verlor. Er war mit der Situation definitiv überfordert. Der Gesamtschaden belief sich auf ca. 2500,- bis 3000,- Euro.

Für mich und meinen Mann folgten drei schlaflose Nächte in denen wir uns überlegten wie wir am besten für alle Beteiligten nun auf diese Situation reagieren sollten. Unsere damalige Lösung war, kurz beschrieben, folgende: Unser Sohn bekam den Auftrag, alle Kollegen an die er sich erinnerte zu kontaktieren und sie auf den nächsten Abend zu uns einzuladen. Sie sollten ruhig ihre Kollegen mitbringen die auf der Party dabei waren.

Am nächsten Abend waren etwa 20-25 Jugendliche in unserem Wohnzimmer. Wir setzen uns in einen Kreis und erklärten ihnen die Funktion eines Redestabes und den Ablauf eines Redekreises. Ich eröffnete den Redekreis indem ich den Kidds erzählte wie ich mich in der Situation fühlte. Der nächste Schritt war, das wir ihnen drei Fragen stellten zu denen wir jeweils den Redestab rundherum gaben.

Die erste Frage war: Was würden eure Eltern in dieser Situation mit euch und euren Freunde machen?
Hier kamen Antworten von „Hausarrest bis an mein Lebensende“ bis „Meine Eltern würden alle hier bei der Polizei melden.“

Die zweite Frage: Wer hat die Eier oder Eierstöcke (es waren ja auch Mädels anwesend) zu erzählen war er/sie angestellt hatte. Ich kann euch sagen – da waren einige Dinge dabei, die wir überhaupt noch nicht bemerkt hatten – wie z.B. die Spritzfahrt eines Kerls in einem meiner Ritualkleider auf dem Mofa durchs Dorf. Da warf ich den Kidds allerdings vor das sie es nicht gefilmt hatten, ich hätte es mir gerne angesehen.

Die dritte Frage war die Frage nach einer Wiedergutmachung ihrerseits an dem Schaden an unserem Haus und den Dingen die kaputt gegangen sind. Die Lösung der Jugendlichen war, den Schaden mit Geld zu bezahlen. Allerdings waren sie alle Schüler, ohne eigenes Einkommen für das sie gearbeitet hätten. Es wären also ihre Eltern die über den Umweg des Taschengeldes für die Schäden aufkommen würden. Damit waren wir nicht einverstanden, was wir ihnen auch erklärten.

Unsere Lösung war, die Mädels halfen mir das Haus wieder in Schuss zu bringen und die Jungs gingen mit Marcel in den Steinbruch um Steine für unsere Schwitzhütte zu sammeln. Alle die sich an diesen Arbeitseinsätzen beteiligten, waren weiterhin in unserem Haus willkommen. Alle die nicht mitmachten, hatten ab sofort Hausverbot. So gut wie alle Jugendlichen kamen um uns zu helfen. Als alle Arbeit getan war, luden wir sie zu einer Schwitzhütte ein. Es war eine heiße Hütte. Eine Hütte in denen wir ihnen erklärten, das es auch andere Wege gibt die eigenen Grenzen auszuloten, Wut abzubauen oder Trauer und Schmerz zu verarbeiten als ein Haus zu ruinieren. Das Geschenk für uns aus dieser Geschichte war, ab dieser Zeit hatten wir einen Kern an Jugendlichen die wussten das sie die Verantwortung trugen wenn sie bei uns Party machten. Und sie tun dies bis heute – und es waren viele Partys in unserem Haus seit dieser Ersten.

Ihr könnt mir glauben, mit 3 Kindern und dem regen sozialen Umfeld was wir haben, gibt es ausreichend ähnliche Situationen in meinem Leben.

Wenn mich also jemand fragt wie das so ist als Schamanin, kann ich nur antworten – ganz oder garnicht.

Es ist eine Lebensweise die alles durchwirkt, jede Faser meines Seins.

Herzgruß,
Eure Sabrina

  1. Danke für deine Antwort. Ich freue mich! Werde mich bestimmt öfter an dich wenden! ❤️

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